Die Schule(n)
Die schnelle wirtschaftliche Entwicklung der Westlausitz stellte nach 1860 neue Anforderungen. Die Stadt Pulsnitz wurde 1871 an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Orte mit Eisenbahnanschluß hatten bessere wirtschaftliche Bedingungen. Vermehrte Kohletransporte machten es erforderlich, die Strecke nach Pulsnitz 1875 zweigleisig auszubauen. Die Stadt wurde in dieser Zeit in Richtung Bahnhof und Richtung Schwedenstein erweitert. Verschiedene neue Industrieunternehmen siedelten sich in Pulsnitz an und die Einwohnerzahl wuchs.
1898
Das Jahr 1898 wurde in Pulsnitz durch zahlreiche Aktivitäten geprägt, die für die Zukunft von Bedeutung waren und die eng mit der Entstehung unseres kleinen Parkes verknüpft sind.
Schulneubau 1902/03
Die beiden bisherigen Pulsnitzer Schulen waren zu beengt. Daher forderte der damalige Lehrer und Direktor Robert Dreher 1896 den Bau einer neuen größeren Schule und setzte sich mit aller Kraft dafür ein.
Nach 1898 sollte dieser Wunsch dann stufenweise zu Realität werden.
Am 2.August 1902 wurde an der höchsten Erhebung des Stadtrandes in Richtung des Schwedensteins der erste Spatenstich zum Bau der neuen Stadtschule getan.
Der Mode folgend wurde das Gebäude im Jugendstil errichtet. Der Stil wurde in einer Münchner Zeitschrift seit 1896 propagiert, die "Jugend" hieß. Typisch ist eine reiche Rankenornamentik, die in Japan ihren Ursprung hatte.
Die Pulsnitzer Stadtschule wurde wurde in Pulsnitz zum prägenden Bauwerk in diesem Stil.
Zum Schulfest am 21. August 1902 wurde in feierlicher Form der Grundstein gelegt.
Bürgermeister Dr. Michael versenkte am Südfundament des Baus eine Kapsel mit Urkunden und Fotos.
Den Schulbau hatte der Dresdner Architekt von Mayenburg projektiert, Architekt Dix aus Dresden leitete die Bauausführung und die renommierten Pulsnitzer Bauunternehmen Paul Johne und Richard Fischer führten den Bau aus.
Am 21. Oktober 1903 konnte der neue Schulbau dann eingeweiht werden.
Der Schulbau war für Sachsen mustergültig, wenn auch nicht billig.
An künstlerischem Beiwerk wurde nicht gespart, dies zeigen die Ornamente in Fluren und Treppenhaus, Uhrturm und Treppenturm mit Weltkugel.
Rechts vom Eingang erhebt sich die Turnhalle, die vom Turnerverband mitfinanziert wurde und diesem auch zur Verfügung stand.
Schulerweiterung 1914
Im Jahr 1914 wurde der Erweiterungsbau der Stadtschule an der Kühnstraße beendet.
Mit Beginn des Jahres 1945 prägten Flüchtlingstrecks das Stadtbild. Zeitweise gab es für diese Notquartiere in der Turnhalle der Schule.
Am 8. Mai 1945 zogen Sowjettruppen kampflos in die Stadt ein.
Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, die für den 8. Mai 1945 ab 23.01 Uhr die Einstellung aller Kampfhandlungen vorsah, endete der Zweite Weltkrieg in Europa
Am 1.Oktober 1945 wurde in der Sowjetzone der Schulbetrieb wieder aufgenommen.
In Pulsnitz begann der Schulunterricht zunächst in behelfsmäßigen Räumen, da die Schule von der sowjetischen Garnison als Lazarett genutzt wurde. Einer dieser behelfsmäßigen Räume war der Belegschaftsraum des benachbarten Elektrizitätswerkes.
Im Dezember 1945 räumten die Sowjettruppen das Pulsnitzer Schulgebäude. Damit konnte der Unterricht wieder unter besseren Bedingungen durchgeführt werden.
Durch die Klassenstärke von zuweilen 50 Schülern war der Unterricht nicht leicht. Das Alter der Schüler lag zwischen 6 und 17 Jahren, bedingt durch die vielen Umsiedler.
Die Schulreform beinhaltete auch eine Veränderung im Lehrkörper, indem die Lehrer, die der Nazipartei angehört hatten, stufenweise aus dem Schuldienst zu entfernen waren. Ihre Wiedereinstellung wurde erst 1952 möglich.
Die Ausbildung der sogenannten Neulehrer erfolgte in Kurzlehrgängen. Als Lehrmaterial wurden Übersetzungen von russischen Lehrbüchern verwendet.
Seit dem April 1949 gab es an der Pulsnitzer Schule eine Organisation der Jungen Pioniere mit einer hauptamtlichen Pionierleiterin.
Im Sommer 1949 wurde für 200 Schüler eine Ferienbetreuung organisiert.
Bis zum Schuljahresende 1949 bestand die Schulspeisung täglich für jedes Kind aus einer dunklen Roggensemmel. Ab September 1949 gab es eine halbe große Weißbrotsemmel und einen Esslöffel voll Marmelade als Tagesverpflegung in der Schule.
Für die Lehrer war die Unterrichtsgestaltung nicht einfach, manche Umsiedlerkinder wurden erst mit 10 Jahren eingeschult und die Klassenstärke war kaum unter 40 Schülern.
Am 15. Dezember 1949, dem 145. Geburtstag Ernst Rietschels, fand die festliche Schulfeier zur Benennung der Schule als Ernst-Rietschel-Schule statt. In den Jahren danach wurde die Straßenfassade des Altbaus an der Dr.-Michael-Straße neu verputzt und mit dem Namen versehen.
Im April 1971 wurde in unmittelbarer Nähe der Ernst-Rietschel-Schule an der Schillerstraße ein Gedenkstein für den Kommunistenführer Ernst Thälmann enthüllt.
Anlass war dessen 85. Geburtstag. An der Stelle befand sich in den 50er Jahren der Schulgarten.
Heute ist der Gedenkstein den Opfern von Faschismus, Krieg und Gewalt gewidmet.
Vom 15. bis 17. August 1982 trafen im Rahmen des zentralen Pioniertreffens der Thälmannpioniere 1500 Kinder in Pulsnitz zu Apellen, Besichtigungen und Friedensfeiern ein. Sie waren zentral in der Ernst-Rietschel-Schule untergebracht. Nach zwei Tagen begaben sich die Pioniere, die aus Rostock und Potsdam kamen, zu einem Friedensmarsch nach Dresden.
Pioniertreffen 1982 Dresden
https://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/bildy19/index.htm?kid=b2e1f5cc-7150-4dbf-b1b6-468875285f29
1989 Friedliche Revolution in der DDR
Mit dem Jahr 1990 ging die Epoche der Teilung Deutschlands in zwei Staaten zu Ende.
Am Tag der Einheit , am 3. Oktober 1990, hörte die Deutsche Demokratische Republik auf zu existieren.
https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschland-chronik/132226/3-oktober-1990
Bis 1990 besaß die Schule den Namen "Polytechnische Oberschule Ernst Rietschel" und war eine der größten allgemeinbildenden Schulen des damaligen Kreises Bischofswerda. In Spitzenzeiten lernten bis zu 1200 Schüler in den Klassenstufen 1-10 an dieser Schule.
Seit dem Schuljahr 1992/93 sind die Grundschule Pulsnitz und die Mittelschule Pulsnitz zwei eigenständige Einrichtungen im gleichen Gebäude. Getrennt sind sie nur durch Glastüren auf allen Etagen. Der Altbau an der Dr.-Michael-Straße und die angrenzende Turnhalle gehören der Grundschule.
Der Neubau mit dem Haupteingang auf der Kühnstraße wird von der Mittelschule (heute Oberschule) genutzt. Beide Schulen haben eigene Schulleitungen, Verwaltungen und Hausmeister. Lediglich der große Schulhof wird gemeinsam genutzt.
1992 begann eine erste notwendige und sehr aufwendige Rekonstruktion beider Schulteilgebäude. Das Dach, die Außenfassade und viele Fenster wurden erneuert. Gleichzeitig erfolgte der Umbau der gesamten Heizungsanlage. Der Fachunterricht fand damals über mehrere Monate in sechs verschiedenen Gebäuden der Stadt Pulsnitz und der umliegenden Ortschaften statt.
Im Jahr 2001 fand ein wichtiger Schulträgerwechsel statt. Der damalige Landkreis Kamenz übernahm von der Stadt Pulsnitz die Trägerschaft über die Mittelschule. So konnte eine dringend notwendige Komplettsanierung der Schulgebäude auch finanziell abgesichert werden. Diese fand dann in der Zeit von Oktober 2003 bis September 2004 statt. Die Klassen 7-10 wurden in der ehemaligen Schule in Oberlichtenau unterrichtet, die Klassen 5 und 6 in Räumen in der Stadt Pulsnitz. Das gesamte Gebäude wurde im Verlaufe eines Schuljahres vom Keller bis zum Dach entkernt und komplett saniert.
Im Herbst 2004 fand mit einem großen Umzug durch die Stadt (angelehnt an die Schuleinweihungsfeier 1903) sowie anderen Feierlichkeiten die Wiedereinweihung der Schule statt.
Am 1. August 2013 wurde auf Beschluss des sächsischen Landtages aus der Ernst-Rietschel-Mittelschule die Ernst-Rietschel-Oberschule.
Waren es früher nur Pulsnitzer Kinder, die die Schule besuchten, so lernen heute Schülerinnen und Schüler aus bis zu 13 umliegenden Gemeinden in der Ernst-Rietschel-Oberschule Pulsnitz. Die Schülerzahl liegt bei durchschnittlich 460, die Anzahl der Klassen beträgt meist 18, mitunter auch 19.